GESCHICHTE KAMBODSCHA
Die Die Vorfahren der Kambodschaner, Mon- und
Khmer-Völker, wanderten in vorchristlicher Zeit in Südostasien
ein. Sie stammten wahrscheinlich aus dem Norden und kamen vor
ihren heutigen Nachbarn, den Vietnamesen, Laoten und Thai.
Kulturelle Einflüsse aus Indien brachten ein Schriftsystem,
Baustile, Religionen (Hinduismus und Buddhismus), die Vorstellung
eines Gottkönigs (Devaraja) und ein vielschichtiges
Klassensystem in das ehemalige Königreich Kambodscha.
Die frühen Khmer-Staaten
Funan, das erste auf dem Gebiet des heutigen Kambodscha
entstandene Königreich, wurde vermutlich im 1. Jahrhundert n.
Chr. von Mon-Khmer-Völkern gegründet. Die Kultur Funans stammte
größtenteils aus Indien. Der Hafen Oc Eo im Golf von Thailand
war ein wichtiger Knotenpunkt für den Handel zwischen China und
Indien. Das im Nordosten des Tonle Sap angesiedelte Königreich
Zhenla, ursprünglich ein Vasallenstaat von Funan, eroberte im 6.
und 7. Jahrhundert Funan. 706 zerfiel Zhenla jedoch in zwei
Staaten. Die nördliche Hälfte, Land-Zhenla, lag im heutigen
Laos; die südliche Hälfte, das auf dem Gebiet des heutigen
Kambodscha liegende, so genannte Wasser-Zhenla, fiel unter die
Herrschaft von Java.
Die Angkor-Zeit
Mit der Herrschaft Jayavarmans II. (802-850) begann die
Angkor-Zeit in der Geschichte der Khmer und der Aufstieg der
großen Khmer-Königreiche. Am Anfang des 9. Jahrhunderts kehrte
Jayavarman II. aus dem Exil in Java zurück, wies die Ansprüche
des Königreiches Srivijaya zurück und verstärkte den Kult der
Verehrung des Gottkönigs. Die großen Tempel der Angkor-Ära
wurden von seinen Nachfolgern für die Unterbringung der
königlichen Lingas, der phallischen Symbole des Hindugottes
Shiva, erbaut. Die Könige von Angkor herrschten bis Anfang des
15. Jahrhunders über weite Teile des südostasiatischen
Festlandes. Die Hauptstadt war der Kernpunkt eines großen Netzes
von Wasserspeichern und Kanälen für die Bewässerung der
Reisfelder. Der erwirtschaftete Überschuss diente der
Finanzierung von Kriegen und Monumentalbauten. Einer der Könige,
Jayavarman VIII., ließ Ende des 12. und Anfang des 13.
Jahrhunderts Krankenhäuser und Rasthäuser entlang der Straßen
bauen, die das Königreich durchzogen.
Erste Anzeichen einer Schwächung des Königreiches waren die
Unruhen im 12. Jahrhundert. Diese sind auf die von den Herrschern
dem Volk abverlangten, übermäßigen Frondienste sowie auf die
Vernachlässigung des Bewässerungssystems zurückzuführen.
Zudem schwächten Malariaepidemien und andere Krankheiten die
Bevölkerung. Die Einführung des Theravada-Buddhismus
nach dem alle Menschen durch Meditation zur Erleuchtung gelangen
können dürfte zusätzlich zur Erschütterung der
angkorianischen Reichsführung und der starren
Gesellschaftsordnung beigetragen haben. Der Verlust der Kontrolle
über das Gebiet des im heutigen Thailand gelegenen Flusses Chao
Phraya bedeutete eine weitere Schwächung des
Angkor-Reiches.
Der Verfall des Reiches
Nachdem Thailand (früher Siam genannt) 1431 die Stadt Angkor
besiegt hatte, wurde der kambodschanische Hof in den Südosten
nach Phnom Penh verlegt. Trotz der nahezu ununterbrochenen
Kämpfe gegen Siam im Westen wurde das Alltagsleben im Inneren
des Landes kaum berührt, bis Siam 1594 Phnom Penh einnahm und
die Oberherrschaft ausübte. Die Vietnamesen drangen langsam
Richtung Süden vor und erreichten das Mekongdelta einige Jahre
später. 1620 heiratete der Khmerkönig Chetta II. (1618-1625)
eine vietnamesische Prinzessin und gestattete Vietnam, ein
Zollhaus an der Stelle der heutigen Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) zu
errichten. In der Folgezeit versuchten Siam und Vietnam
abwechselnd, das Khmerreich durch militärische Besetzung und die
Entsendung von Marionettenkönigen zu
beherrschen.
Die französische Herrschaft
1863 griff Frankreich, das seine Expansion in Indochina rasch
vorantrieb, in den langsamen Zersplitterungsprozess Kambodschas
durch die Eroberungen Vietnams und Siams ein und errichtete eine
Schutzherrschaft (Protektorat) über das Land. Die formell
indirekte französische Herrschaft in Kambodscha wurde durch
Berater ausgeübt, deren Meinung bei wichtigen Fragen
ausschlaggebend war. Die kambodschanische Monarchie wurde
beibehalten und für den öffentlichen Dienst wurden allmählich
Khmer ausgebildet. Der Bau von Straßen, Hafenanlagen und die
Durchführung anderer staatlicher Bauvorhaben geschah in erster
Linie im Hinblick auf die innere Sicherheit und den Export von
Kautschuk und Reis. Die Restaurierung der weitläufigen
Tempelanlage Angkor Wat in den dreißiger Jahren trug dazu bei,
den Stolz der Khmer auf ihre Vergangenheit wieder aufleben zu
lassen. Während des 2. Weltkrieges, als japanische Streitkräfte
1940 in Indochina stationiert waren, blieb die willfährige
französische Zivilverwaltung im Amt. Kurz vor ihrer Niederlage
1945 beseitigten die Japaner die französische
Protektoratsverwaltung und setzten eine formell unabhängige
Khmerregierung unter dem jungen König Norodom Sihanouk ein. Nach
dem Krieg stellte Frankreich rasch seine Herrschaft über
Kambodscha wieder her, aber Sihanouk erreichte 1953 schließlich
die vollständige Unabhängigkeit für sein Land.
Der moderne Staat
Norodom Sihanouk Norodom Sihanouk ist seit Jahrzehnten eine der
bedeutendsten politischen Persönlichkeiten in Kambodscha.
Zwei Jahre später verzichtete König Sihanouk zugunsten seines
Vaters auf den Thron. Als Prinz Sihanouk konnte er die
städtische Elite, die ständig alles daransetzte, höhere
Positionen zu erringen, viel freier manipulieren. Sihanouk bekam
diese Elite durch die Bildung einer in erster Linie auf
dörfliche Würdenträger gestützten Volksbewegung in den Griff.
Ausländische Mächte wie die Vereinigten Staaten, die Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) und China, die in der
Region nach Einflussbereichen suchten, umwarben Sihanouk. Dieser
ließ sie um das Privileg konkurrieren, Kambodschas Entwicklung
unterstützen zu dürfen. Sein außenpolitischer Erfolg
verstärkte Sihanouks politische Macht im Land. Über 15 Jahre
vollführte er einen Balanceakt und hielt Kambodscha relativ fern
von den Unruhen im benachbarten Vietnam. Auf diese Weise musste
er jedoch die Augen vor dem immer unverhohleneren Missbrauch von
Kambodschas Neutralität durch nordvietnamesische und
Vietcong-Streitkräfte im Vietnamkrieg verschließen.
Der Staatsstreich von 1970
Im März 1970 ergriff der Premierminister, General Lon Nol,
während einer Auslandsreise Sihanouks die Macht, erklärte
Kambodscha zur Republik und entsandte seine Armee zur Bekämpfung
der Vietcong-Truppen in die Grenzgebiete. Dies zog die
Nordvietnamesen gefolgt von amerikanischen und
südvietnamesischen Truppen ins Land, und Kambodscha wurde
während der folgenden zwei Jahre zu einem Schlachtfeld des
Vietnamkrieges. Die Vereinigten Staaten und Südvietnam
belieferten Lon Nols Armee und unterstützten sie mit ihrer
Luftwaffe in der Hoffnung, so eine Atempause für das Regime in
Saigon zu erreichen. Währenddessen bekämpften Anhänger der
Kommunistischen Partei der Khmer, genannt Rote Khmer, Lon Nols
Regime. Sie wurden von Nordvietnam und Prinz Sihanouk, der in
China Asyl erhalten hatte, unterstützt. Hunderttausende von
Landbewohnern suchten in den von Lon Nol kontrollierten Städten
Schutz.
Die vietnamesische Herrschaft
Pol Pot Kambodschanischer Guerillaführer der Roten Khmer und
Regierungschef von 1976 bis 1979; errichtete ein Terrorregime,
dem zwischen ein und zwei Millionen Kambodschaner zum Opfer
fielen.
Im April 1975, kurz bevor Saigon in die Hände Nordvietnams fiel,
nahmen die Roten Khmer Phnom Penh ein. Ihr Regime unter Führung
von Pol Pot siedelte die gesamte städtische Bevölkerung
zwangsweise auf das Land um, wo auf Ungehorsam oder selbst nur
auf den Hinweis auf eine Mittelstandsstellung die Todesstrafe
stand. Die Roten Khmer versuchten, Kambodscha von jeglichem
Fremdeinfluss fern zu halten, schafften das Geld ab, richteten
Regimegegner hin, unternahmen groß angelegte wirtschaftliche
Umformungen nach den Richtlinien von Chinas Großem Sprung nach
vorn und bemühten sich ansonsten, einen doktrinären Kommunismus
bzw. Maoismus einzuführen. Ihre Brutalität, die wohl über
einer Million Menschen das Leben gekostet hatte, nahm Hanoi im
Dezember 1978 zum Anlass für eine Invasion. Wichtige Städte und
Fernstraßen kamen rasch unter die Kontrolle einer von Vietnam
unterstützten Marionettenregierung unter Führung von Heng
Samrin, Vorsitzender des Staatsrates, und Hun Sen, erst
Außenminister, dann Premierminister. Diese Regierung führte
großenteils wieder den Lebensstil (einschließlich des
Buddhismus) aus der Zeit vor 1970 ein, jedoch ohne Monarchie.
Restliche Anhänger der Roten Khmer setzten währenddessen mit
einiger Unterstützung von Nichtkommunisten den Widerstand
insbesondere in den Gebieten nahe der thailändischen Grenze fort
und bewahrten den Sitz Kambodschas in den Vereinten Nationen. Die
so entstandene, unsichere Koalition mit Sihanouk als nominellem
Präsidenten wurde im Ausland anerkannt, erhielt aber kaum
Unterstützung im eigenen Land.
Neueste Entwicklung
Abtrünnige Guerillas der Roten Khmer Nachdem der rechtskräftig
wegen Massenmordes verurteilte ehemals zweitwichtigste Führer
der Roten Khmer, Ieng Sary, im September 1996 begnadigt worden
war, wechselten zahlreiche Angehörige der Organisation die
Seiten und wurden in die kambodschanische Armee eingegliedert.
Fast alle vietnamesischen Truppen wurden im September 1989
abgezogen und versetzten das Regime von Hun Sen in eine prekäre
Lage. Im Oktober 1991 unterzeichneten die Konfliktparteien ein
Friedensabkommen, das eine UN-Übergangsverwaltung und einen
Obersten Nationalrat, dem die meisten Splittergruppen
angehörten, vorsah. Sihanouk kehrte nach Kambodscha zurück und
trat das Amt des Staatspräsidenten an. 1992 kam es immer wieder
zu Gewalttaten, die von den Roten Khmer angezettelt wurden und
sich häufig gegen die UN-Friedenstruppe richteten.
Im Mai 1993 gab es die ersten seit 1972 abgehaltenen Wahlen zur
verfassunggebenden Versammlung in einem Mehrparteiensystem. Die
Roten Khmer boykottierten die Wahlen, obgleich sie 1991 den
Friedensvertrag unterzeichnet hatten. Da keine der zur Wahl
gestellten Parteien die Mehrheit erreichte, bildeten die beiden
größten Parteien, die royalistische FUNCINPEC (Front uni
national pour un Cambodge indépendant, neutre, pacifique et
coopératif) und Hun Sens Volkspartei sowie zwei kleinere
Parteien eine Koalition. Im September 1993, nach der
Verabschiedung der neuen Verfassung, wurde Sihanouk zum König
berufen. Norodom Ranariddh, der Führer der FUNCINPEC und Sohn
Sihanouks, wurde zum ersten Premierminister und Hun Sen zum
zweiten Premierminister ernannt. Die Roten Khmer setzten ihren
Widerstand gegen die Koalitionsregierung fort; obgleich sie noch
bis 1995 Gewaltakte durchführten, wurde durch Informationen von
Überläufern bekannt, dass die Bewegung schrumpfte und
demoralisiert war: Zwischen 5 000 und 10 000 Mitglieder des
harten Kerns hatten die Bewegung zwischenzeitlich verlassen.
Im September 1996 schlossen die kambodschanische Regierung und
abtrünnige Rebellen der Roten Khmer ein Friedensabkommen,
nachdem mehrere Rebellenchefs mit der Khmer-Führung gebrochen
hatten. Im November 1996 war in Jakarta beim Gipfeltreffen der
Regierungschefs der ASEAN-Staaten beschlossen worden, Kambodscha
als Vollmitglied in den südostasiatischen Staatenverbund
aufzunehmen. Die Entschließung wurde aber nicht wie geplant im
Sommer 1997 in die Tat umgesetzt. Im Rahmen der einwöchigen
ASEAN-Außenministerkonferenz in der malaysischen Hauptstadt
Kuala Lumpur wurden die Länder Laos und Myanmar als neue
Mitgliedsstaaten in die südostasiatische Staatengemeinschaft
aufgenommen. Kambodscha wurde ein Beitritt vorerst noch
verweigert. Die Aufnahme wurde wegen der innenpolitischen
Spannungen im Land, insbesondere wegen des Machtkampfes zwischen
den beiden Premierministern, Norodom Ranariddh und Hun Sen, auf
unbestimmte Zeit verschoben. Im Juli 1997 entmachtete Hun Sen
seinen Rivalen, nachdem er ihn der Vorbereitung eines
Bürgerkrieges beschuldigt hatte. Seit dem Putsch Hun Sens gegen
Ranariddh sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mehr
als 90 politische Morde an Gegnern Hun Sens dokumentiert.
Am 18. April 1998 wurde die Leiche Pol Pots, dessen Tod wenige
Tag zuvor gemeldet worden war, im Beisein von rund zwei Dutzend
Roten Khmer unweit der Hütte, in der er die letzten Tage vor
seinem Tod verbracht haben soll, im nordkambodschanischen
Dschungel an der Grenze zu Thailand kremiert.
Als Regierungstruppen im Norden Kambodschas Anhänger von Pol Pot
vertrieben, flüchteten Zehntausende von Menschen über die
Grenze nach Thailand.
Nur kurz darauf, am 20. April 1998, brach die kambodschanische
Regierung die Friedensgespräche mit den noch kämpfenden
Roten-Khmer-Einheiten ab. Anfang Mai 1998 konnten dann
kambodschanische Regierungstruppen die Rebellen der Roten Khmer
von ihrem letzten Stützpunkt entlang der nördlichen Grenze zu
Thailand vertreiben und deren letzte Bastion, den Hügel 200,
einnehmen. Mehr als 20 000 Kambodschaner flohen in ein
Flüchtlingslager nach Thailand.
Nach offiziellem Endergebnis der Parlamentswahlen vom 26. Juli
1998 (Wahlbeteiligung etwa 90 Prozent) erhielt die
Kambodschanische Volkspartei (Cambodian Peoples Party, CPP)
unter Hun Sen 64 der 122 Parlamentssitze. Die royalistische
FUNCINPEC (Front Uni National pour un Cambodge Indépendant,
Neutre, Pacifique et Coopératif) unter Prinz Ranariddh gewann 43
Mandate, die Sam Rainsy Party unter dem früheren Finanzminister
Sam Rainsy 15 Sitze. Internationale Wahlbeobachter bezeichneten
die Wahlen als in vernünftiger Weise frei und fair.
Laut kambodschanischer Verfassung muss sich die Regierung im
Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit stützen können. Hun Sen
schlug daher den anderen Parteien eine Dreierkoalition vor.
Ranariddh und Rainsy lehnten diesen Vorschlag jedoch unter dem
Vorwurf des Wahlbetrugs ab. Die folgenden öffentlichen Proteste
und Demonstrationen gegen die Regierung Hun Sens mündeten in
gewalttätigen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, wobei
Verletzte und auch Tote zu beklagen waren. Erst unter dem
Einfluss Ranariddhs Vater König Sihanuk und auf Druck aus den
eigenen Reihen einigten sich Hun Sen und Ranariddh auf eine
Kompromisslösung. Ranariddh wurde auf der konstituierenden
Sitzung des Parlaments am 25. November 1998 mit 105 von 122
Stimmen zum Parlamentspräsidenten ernannt. Nur wenige Tage
später wählte die Nationalversammlung mit 99 von 122 Stimmen
Hun Sen zum Ministerpräsidenten.
Die militärischen Auseinandersetzungen mit rebellierenden
Einheiten der Roten Khmer endeten im Dezember 1998. Ihre Führer
Khieu Samphan und Nuon Chea kapitulierten am 25. Dezember 1998,
der Großteil der Guerillatruppen unterstellte sich der
Regierungsautorität. Anfang Februar 1999 wurden auch die letzten
Verbände der Roten Khmer aufgelöst und in die Armee
eingegliedert. Im Mai 1999 wurde Kambodscha Mitglied der
ASEAN.
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