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GESCHICHTE VIETNAM


Die Vietnamesen traten in der Geschichte erstmalig in Erscheinung als eines der vielen Völker, die das Gebiet des heutigen Südchina und Nordvietnams besiedelten. Überlieferungen berichten von einem kleinen vietnamesischen Reich Au Lac, das im Delta des Roten Flusses (Tonking-Delta) von einem legendären Königsgeschlecht errichtet wurde, das Tausende von Jahren vorher über das alte Königreich Van Lang geherrscht hatte. Für dessen Existenz geben lediglich ein paar archäologische Spuren Anhaltspunkte.


Chinesischer Einfluss 

221 v. Chr. beendete die Qin-Dynastie in China ihren Eroberungszug gegen angrenzende Staaten und wurde zum ersten Herrschergeschlecht über ein vereinigtes China. Das Qin-Reich verlor aber nach dem Tod seines tatkräftigen Gründers Shi Huangdi seinen Zusammenhalt und zerfiel. Die Auswirkungen wurden schon bald in Vietnam spürbar. In den Trümmern des Reiches errichtete der chinesische Heerführer im Süden sein eigenes Reich Nam Viet (Südvietnam, chinesisch Nanyue), das das junge Reich Au Lac umschloss.

111 v. Chr. eroberten chinesische Truppen unter Kaiser Wudi Nam Viet und verleibten es dem Reich der Han-Dynastie ein. Die chinesische Eroberung hatte für den weiteren Verlauf der vietnamesischen Geschichte schicksalhafte Folgen. Nach einer kurzen Herrschaft örtlicher Oberhäupter strebten die chinesischen Herrscher die politische und kulturelle Integration Vietnams in das Han-Reich an. Chinesische Verwaltungsbeamte kamen ins Reich und ersetzten den ansässigen Landadel. Politische Institutionen nach dem chinesischen Modell wurden zwangsweise eingerichtet und der Konfuzianismus zur Staatsideologie erhoben. Die chinesische Sprache wurde Amts- und Literatursprache. Chinesische Ideogramme wurden für die Umsetzung der gesprochenen vietnamesischen Sprache ins Schriftbild übernommen. Chinesische Kultur, wie Kunst, Architektur und Musik, übte einen tief greifenden Einfluss auf die entsprechenden Bereiche der vietnamesischen Kultur aus.

Der vietnamesische Widerstand gegen die chinesische Herrschaft war heftig, entlud sich aber nur sporadisch. Der bekannteste Aufstand gegen die Fremdherrschaft wurde 39 n. Chr. von den Schwestern Trung angeführt, zwei Witwen des ansässigen Adels. Der Aufstand war kurzzeitig erfolgreich, so dass sich die ältere Schwester Trung Trac zur Herrscherin eines unabhängigen Reiches einsetzte. Die chinesischen Truppen nahmen den Angriff erneut auf, und hatten 43 n. Chr. Vietnam zurückerobert. 


Unabhängigkeit 

Der Aufstand der Schwestern Trung war der erste einer Reihe auftretender Revolten während der tausendjährigen chinesischen Herrschaft über Vietnam. Schließlich nutzten vietnamesische Truppen unter Ngo Quyen die chaotische Situation in China 939, um die Besatzungstruppen vor Ort zu schlagen und ein unabhängiges Reich zu errichten. Ein paar Jahre später leitete der Tod Ngo Quyens zwar eine Zeit bürgerkriegsähnlicher Zustände ein, doch wurde Anfang des 11. Jahrhunderts die erste der großen vietnamesischen Dynastien errichtet. Unter der Führung verschiedener Herrscher bestand die Ly-Dynastie über mehr als 200 Jahre fort und regierte über Vietnam von 1009 bis 1225. Obwohl die Entstehung der Ly-Dynastie das Aufkommen eines regen vietnamesischen Nationalbewusstseins widerspiegelte, behielten die Ly-Herrscher viele der politischen und sozialen Einrichtungen aus der Zeit der chinesischen Herrschaft bei. Der Konfuzianismus blieb weiterhin die Grundlage der politischen Staatseinrichtungen.


Die Wirtschaft in der Ly-Dynastie 

Vietnam war wie viele seiner angrenzenden Reiche ein auf Landwirtschaft ausgerichtetes Land, in dem der Anbau von Reis die Lebensgrundlage schuf. Weite Teile des Gebiets waren im Besitz mächtiger Familien, die über Tausende von Leibeigenen oder Haussklaven verfügten. Weiterhin gab es aber auch eine Schicht von Kleinbauern mit Landbesitz. Mächtige Herrscher unternahmen häufig Schritte, diese Schicht zu schützen, indem sie die Großgrundbesitzer einschränkten und deren riesige Landgüter aufteilten.


Territoriale Ausdehnung 

Unter der Herrschaft der Ly-Dynastie und den Nachfolgern der Tran (1225-1400) wurde Vietnam zu einer dynamischen Macht in Südostasien. Die chinesischen Herrscher hatten aber ihr historisches Ziel der Einnahme des Tonking-Deltas nie aus den Augen verloren. Als im 13. Jahrhundert das mongolische Weltreich auch China in Form der Yuan-Dynastie beherrschte, griffen die Truppen Kublai Khans Vietnam an, um es ebenfalls ihrem Reichsgebiet einzuverleiben, stießen aber auf heftigen Widerstand.

Über Jahrhunderte beschränkte sich das vietnamesische Reich auf das Kernland im Tal des Roten Flusses und auf die angrenzenden Berge (Tonking). Zwischen Vietnam und dem Reich Champa, einem Seefahrerreich entlang der mittelvietnamesischen Küste, kam es kurz nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Vietnams zu Spannungen. Mehrmals drangen die Cham-Truppen durch die vietnamesische Verteidigung und besetzten die Hauptstadt, wurden jedoch immer wieder zurückgedrängt. Im 15. Jahrhundert konnten die vietnamesischen Armeen die Hauptstadt von Champa südlich des heutigen Da Nang schließlich einnehmen und das Reich Champa gänzlich niederschlagen.

In den folgenden Generationen verfolgte Vietnam weiterhin seinen „Vormarsch in den Süden”, wobei es sich allmählich dem marschigen Tiefland des Mekong-Deltas näherte, wo das Reich der Khmer lag. Der Widerstand gegen das vietnamesische Vordringen war nur gering. Ende des 17. Jahrhunderts hatte Vietnam das niedere Mekong-Delta eingenommen und drang weiter nach Westen vor. Das zerfallende Reich der Khmer lief zunehmend Gefahr, in ein bloßes Protektorat verwandelt zu werden. 


Die Le-Dynastie 

Der Vorstoß Vietnams in den Süden traf mit neuen Angriffen im Norden zusammen. 1407 wurde Vietnam erneut von chinesischen Truppen erobert. Über zwei Jahrzehnte versuchte die Ming-Dynastie, Vietnam wieder dem Chinesischen Reich einzugliedern. Die vietnamesischen Widerstandstruppen brachten aber unter dem Rebellenführer Le Loi den Chinesen 1428 eine entscheidende Niederlage bei und stellten die vietnamesische Unabhängigkeit wieder her. Le Loi bestieg als erster Kaiser der Le-Dynastie den Thron. Das neue Herrscherhaus behauptete seine Macht über 100 Jahre, bis es im 16. Jahrhundert seinem Niedergang entgegensah. Die Macht bei Hofe ging von zwei miteinander verfeindeten Feudalgeschlechtern der Trinh und der Nguyen aus. Als die Trinh die Oberherrschaft gewannen, wurde den Nguyen 1620 ein Lehensbesitztum im Süden gewährt, das sich um die Stadt Huë zentrierte. Es kam zu einer Zweiteilung Vietnams. Europäer erreichten auf der Suche nach Wohlstand und christlichen Überläufern Südostasien und vertieften durch ihre Machenschaften die Rivalität zwischen Nord und Süd. 1516 kamen die ersten portugiesischen Seefahrer. Bis zum 17. Jahrhundert bauten sie einen florierenden Handelshafen auf. Zum Ende des Jahrhunderts wandten sich die Vietnamesen gegen die europäische Einmischung und verfolgten einen ähnlichen politischen Kurs der Isolierung wie China und Japan. Die Trinh und die Nguyen regierten in Rivalität zueinander aus Hanoi und Huë, während die eigentlichen Herrscher der Le-Dynastie nur noch als Marionetten der Trinh fungierten.

Ende des 18. Jahrhunderts stand die Le-Dynastie kurz vor dem Zusammenbruch. Riesige Reisanbaugebiete wurden von habgierigen Feudalherren kontrolliert. 1777 formierten sich aufgebrachte Bauern unter den Tay-Son-Brüdern und töteten die Nyugens. Nach dem Sturz der Trinh und der erfolgreichen Abwehr einer Invasion der Manchu-Dynastie gelang es einem der beiden Brüder, Vietnam 1789 unter eine vereinigte Herrschaft zu stellen. Er verstarb kurz nach der Thronbesteigung. Wenige Jahre später schlug der einzig überlebende Erbe des Herrscherhauses der Nguyen, Nguyen Anh, mit französischer Unterstützung die Truppen Tay Sons nieder. Als Kaiser Gia Long errichtete er 1802 eine neue Dynastie. 


Französische Intervention 

Ein französischer Missionar, Pierre Pigneau de Behaine, hatte eine Söldnertruppe zusammengestellt, um Nguyen Anh zu unterstützen. Er erhoffte sich vom neuen Kaiser Vorteile für Frankreich in Sachen Handel und Missionsaufbau. Seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Nguyen-Dynastie hegte dem französischen Einfluss gegenüber Misstrauen, so dass die römisch-katholischen Missionen und ihre vietnamesischen Anhänger verfolgt und einige sogar hingerichtet wurden. Religionsgemeinschaften in Frankreich forderten die Regierung in Paris zum Handeln auf. Als auch beim Handel und beim Militär ein ähnlicher Druck spürbar wurde, stimmte Kaiser Napoleon III. 1858 einem von See geführten Feldzug zu. Die Vietnamesen sollten sich Frankreich als Protektorat unterstellen.

1862 wurde der Abtretung mehrerer Provinzen im Mekong-Delta (später Cochinchina) an Frankreich zugestimmt. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts nahmen die Franzosen ihre Angriffe wieder auf und suchten sich diesmal Ziele im Norden. Nach schweren Niederlagen willigte Vietnam in die Errichtung eines französischen Protektorats über den verbleibenden Teil Vietnams ein. 


Kolonialherrschaft und Widerstand 

Ho Chi Minh war Begründer der Unabhängigkeitsbewegung Vietminh und nach der Teilung Vietnams von 1954 bis 1969 Staatspräsident von Nordvietnam. 

Die Errichtung der französischen Kolonialherrschaft stieß auf nur wenig organisierten Widerstand. Dennoch keimte eine antikoloniale Stimmung auf. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen die Einheimischen lebten, trugen zu ihrer feindlichen Haltung gegenüber der strengen französischen Herrschaft bei. Auf dem Land hatten Bauern mit hohen Steuern und Pachtzahlungen an die kollaborierenden Landbesitzer zu kämpfen. In den Fabriken, Kohlebergwerken und auf den Kautschukplantagen hatten die Arbeiter bei nur geringer Bezahlung unter katastrophalen Bedingungen zu leiden. Vietnamesen waren auf fast allen Ebenen von der Kolonialverwaltung ausgeschlossen. Die Franzosen rekrutierten Zwangsarbeiter für öffentliche Arbeitsprojekte, räumten den Vietnamesen aber keinen rechtlichen Schutz oder Entschädigungszahlungen ein. Anfang des 20. Jahrhunderts begannen nationalistische Parteien, ihren Forderungen nach Reformen und Unabhängigkeit Ausdruck zu verleihen. 1930 gründete Ho Chi Minh die Kommunistische Partei Indochinas.

Indochina um 1900 Die Karte zeigt die Ausdehnung Französisch-Indochinas im damaligen Südostasien. Das heutige Vietnam ist in Gelb eingezeichnet.

Bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939 blieb die politische Arbeit dieser Parteien ohne Erfolg. 1940 forderte und erhielt Japan das Recht, Vietnam unter militärische Belagerung zu stellen. Die Gelegenheit nutzend organisierten die Kommunisten mit verdeckter Unterstützung der Amerikaner die breite Bewegung der Vietminh Front und bereiteten zum Ende des Krieges einen Aufstand vor. Die Vietminh (Abkürzung für Viet Nam Doc Lap Dong Minh oder Liga für die Unabhängigkeit Vietnams) konzentrierten sich eher auf angemessene Reformen und nationale Unabhängigkeit als auf speziell kommunistische Ziele. Als sich die Japaner im August 1945 den Alliierten ergaben, erhoben sich in ganz Vietnam die Truppen der Vietminh und erklärten in Hanoi die Errichtung einer unabhängigen Republik.

Frankreich war allerdings nicht gewillt, Vietnam in die Unabhängigkeit zu entlassen und verdrängte die Vietminh sowie andere nationalistische Gruppen aus dem Süden. Über mehr als ein Jahr suchten Frankreich und die Vietminh in Verhandlungen nach einer Lösung, doch konnte keine Einigung erzielt werden, da Frankreich fest entschlossen war, Vietnam erneut zu annektieren. Im November 1946 kosteten die Bombenangriffe französischer Kriegsschiffe auf Haiphong Tausende von Zivilisten das Leben. Die Streitkräfte der Vietminh in Hanoi schlugen im Dezember zurück. 


Die Vertreibung der Franzosen 

Die kriegerischen Auseinandersetzungen dauerten beinahe neun Jahre. Die Vietminh zogen sich in die Berge zurück, wo sie ihre Truppen aufbauten, während die Franzosen eine gegnerische Regierung unter Kaiser Bao Dai, dem letzten Herrscher der Nguyen-Dynastie, in den vielbevölkerten Regionen entlang der Küste errichteten. Den Vietminh mangelte es an militärischer Stärke, um den Franzosen eine Niederlage beizubringen. Sie beschränkten ihre Aktivitäten daher auf die Guerillakriegsführung. Von 1953 bis 1954 befestigten die Franzosen einen Militärstützpunkt bei Dien Bien Phu, den die Vietminh nach monatelanger Belagerung und vielen Todesopfern in der entscheidenden Schlacht von Dien Bien Phu einnahmen. Die Franzosen konnten sich in der Folgezeit dem Druck einer kriegsmüden Nation im Heimatland nicht widersetzen und willigten im Juni 1954 in kriegsabschließende Verhandlungen ein. Auf der Indochina-Konferenz in Genf wurde die Teilung Vietnams am 17. Breitengrad beschlossen. Die Vietminh zogen sich in den Norden des Landes zurück, während die Franzosen und ihre vietnamesischen Verbündeten den Süden einnahmen. Um einer endgültigen Teilung des Landes entgegenzuwirken, wurde ein politisches Protokoll verfasst, das freie Wahlen für die Wiedervereinigung des Landes zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags festlegte. 


Teilung 

Nach der Genfer Konferenz nahmen die Vietminh in Hanoi Abstand von weiteren bewaffneten Kampfhandlungen und begannen mit dem Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. In der südlichen Hauptstadt Saigon wurde Bao Dai bereits kurz darauf von einem neuen Regime unter dem antikommunistischen Ministerpräsidenten Ngo Dinh Diem gestürzt. Mit diplomatischer Unterstützung vonseiten der Vereinigten Staaten weigerte sich Diem, freie Wahlen abzuhalten und leitete Schritte gegen den kommunistischen Einfluss im Süden in die Wege. 1959 kam Diem in ernsthafte Schwierigkeiten. Angeprangert wurden seine unkooperative Haltung gegenüber der inländischen Opposition, seine Begünstigung römisch-katholischer Freunde sowie der Fehlschlag seiner Sozial- und Wirtschaftspolitik. Die Kommunisten sahen ihre Stunde für einen Revolutionskrieg gekommen. 


Der Vietnamkrieg 

Nach dem Abschluss des Waffenstillstandes, den Le Duc Tho und Henry Kissinger im Januar 1973 in Paris ausgehandelt hatten, leiteten die USA den Abzug ihrer Truppen aus Vietnam ein. Der Waffenstillstand markierte das Ende des seit 1946 andauernden Vietnamkrieges. 

Im Herbst 1963 wurde Diem durch einen Militärputsch seiner eigenen Generäle gestürzt und ermordet. Anfang 1965 griffen die USA unter US-Präsident Lyndon Johnson offen in den darauf folgenden Krieg zwischen den beiden Landesteilen ein – unter intensiver Bombardierung Nordvietnams sowie durch die Entsendung von US-Kampftruppen in den Süden (siehe Vietnamkrieg).

1968 entschloss sich die Johnson-Regierung, den Weg der Verhandlungen anzustreben, nachdem die blutige und schlagkräftige Tet-Offensive der Vietminh das neue, autoritäre Saigon-Regime unter Staatspräsident Nguyen Van Thieu bis in die Grundmauern erschüttert hatte. Ho Chi Minh starb 1969. Sein Nachfolger wurde Le Duan, ein weiterer Anführer der Revolution. Der neue US-Präsident Richard Nixon verfolgte den von Johnson eingeschlagenen politischen Kurs weiter, wobei er allmählich die US-Truppen aus dem Land abzog. Im Januar 1973 endete der Krieg kurzzeitig mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags in Paris. Der Vertrag sah den vollständigen Abzug der US-Truppen vor, während Hanoi stillschweigend den vom Thieu-Regime vorzubereitenden allgemeinen Wahlen in Vietnam zustimmte. Das Abkommen scheiterte kurz darauf. Anfang 1975 starteten die Kommunisten eine Militäroffensive. Innerhalb von sechs Wochen brach der Widerstand des Thieu-Regimes zusammen, und am 30. April nahmen die Kommunisten Saigon ein. Im Vietnamkrieg wurden 15 Prozent der vietnamesischen Bevölkerung verwundet oder getötet. 


Die Sozialistische Republik Vietnam 

1976 wurde der Süden mit dem Norden in der neuen Sozialistischen Republik Vietnam wieder vereinigt und Saigon in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt. Mit der Beendigung des Krieges waren im Land noch lange nicht alle Schwierigkeiten überwunden. Der riesige Flüchtlingsstrom, vor allem gebürtiger Chinesen, der so genannten „Boat people”, die mit kleinen Booten über das Südchinesische Meer oder auf dem weniger gefahrvollen Landweg in andere Staaten gelangen wollten, nahm mit der fortschreitenden Sozialisierungspolitik im Süden zu. Fast 200 000 Flüchtlinge verließen 1979 das Land. Es kam zu Grenzzwischenfällen mit der kommunistischen Regierung Kambodschas, die nach der Niederlage Saigons schon bald eskalierten. Anfang 1979 marschierten vietnamesische Streitkräfte mit Unterstützung exilkambodschanischer Truppen in Kambodscha ein, stürzten das Pol Pot-Regime und errichteten eine provietnamesisch orientierte Regierung. Die Besetzung rief internationalen Protest hervor. Wenige Wochen später wurde Vietnam selbst von seinem ehemaligen Wohltäter China angegriffen, das die Einmischung Vietnams in seine regionalen Interessen nicht dulden wollte. Die chinesischen Truppen verursachten in den Grenzregionen schwere Schäden, mussten aber auch selbst schwere Verluste hinnehmen. Mitte der achtziger Jahre waren rund 140 000 vietnamesische Soldaten in Kambodscha stationiert und weitere 50 000 in Laos. Vietnam reduzierte 1988 sein Truppenaufgebot in Laos in beträchtlichem Maß und zog bis zum September 1989 seine gesamten Truppen aus Kambodscha ab.

In Vietnam herrschten in der Nachkriegszeit schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Probleme. Der Wiederaufbau ging nur schleppend voran. Die Bemühungen um eine Kollektivierung der Landwirtschaft und eine Verstaatlichung der Unternehmen führten im Süden zu Konflikten mit der Bevölkerung. Enttäuschende Ernteerträge, die Einverleibung der Geldmittel durch das Militär und US-Embargos über weltweite Hilfsleistungen und Kapitalinvestitionen erschwerten Vietnam den Weg aus der Krise. 1986 hatte die jährliche Inflationsrate die 700-Prozent-Marke erreicht. Nach dem Tod des alten Parteichefs Le Duan 1986 übernahmen Wirtschaftsreformer, unterstützt von einer jüngeren Generation der Kommunistischen Partei, die Führung in der Partei. Sie verkündeten den neuen politischen Kurs der doi moi (Erneuerung) nach dem Modell der russischen Perestroika. Der Prozess wurde 1988 vorangetrieben, als schlechte Ernten, Hungersnöte und Missmanagement des Staatsapparats unter dem neuen Druck der Reformisten zu Massenentlassungen konservativer Parteiangehöriger führten. Die Reaktionen Europas und Chinas auf die Ereignisse von 1989 führten zur Stabilisierung der kommunistischen Vormachtstellung im Land. Das Ende der Hilfsleistungen der ehemaligen Sowjetunion 1991 und der Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus trieben die Wirtschaftsreformen weiter voran.

Die neue, 1992 in Kraft getretene Verfassung Vietnams bestätigte die Monopolstellung der Kommunistischen Partei, räumte für ausländische Kapitalinvestitionen aber auch gesetzliche Garantien ein und führte Gesetze zur Regelung von Konkursen ein, um dahinsiechende staatliche Unternehmen zur Aufgabe zu zwingen. Der politische Kurs zum Wiederaufbau des Landes reduzierte bis zum Anfang der neunziger Jahre die Inflation und senkte die Staatsverschuldung. Europäische und asiatische Staatsoberhäupter beeilten sich, ihre diplomatischen Beziehungen mit Vietnam wieder aufzunehmen. Die Vereinigten Staaten gaben schließlich ihren Widerstand gegen die Vergabe von Darlehen und Hilfsleistungen für den Wiederaufbau Vietnams vonseiten des Internationalen Währungsfonds und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) im Juli 1993 auf. Vietnams Streben nach schnellem Wachstum wurde teilweise durch das rapide Wachstum Chinas und durch die Bedrohung der vietnamesischen Sicherheit forciert. Die Vereinigten Staaten hoben 1994 ihr über Vietnam verhängtes Handelsembargo auf und errichteten im August 1995 ein diplomatisches US-Büro in Hanoi. Die Rückkehr und Eingliederung von Vietnamesen, die nach dem Vietnamkrieg aus dem Lande flohen und nicht als politische Flüchtlinge anerkannt wurden, zählt weiter zu den wichtigsten innenpolitischen Themen.

Im September 1997 wählte die vietnamesische Nationalversammlung den Reformpolitiker Phan Van Khai zum neuen Ministerpräsidenten, nachdem Vo Van Kiet aus Altersgründen zurückgetreten war. Der neue Ministerpräsident war seit 1992 einer der stellvertretenden Regierungschefs und enger Mitarbeiter seines Vorgängers. Zum neuen Staatspräsidenten wählte das Parlament Tran Duc Luong, der den ehemaligen Armeegeneral Le Duc Anha als Staatschef ablöste. 

Am 1. März 2001 vereinbarten die Staatsoberhäupter Vietnams und Russlands, Tran Duc Luong und Wladimir Putin, eine strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern. 


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